Welch ein Verlust! Die Musikwelt trauert um einen ihrer ganz Großen – um einen genialen Pianisten, um einen der einfallsreichsten Komponisten, einen schier grandiosen Musik-Erfinder, einen ungemein offenen, herzlichen und genuin großzügigen Menschen. Das Klavier-Festival Ruhr verliert einen treuen Freund, der uns seit 1993 mit 16 Konzerten beschenkte, zuletzt 2018 in der Philharmonie Essen.
Es war ein ganz besonderes und – zumindest europaweit – ein einmaliges Privileg, dass er so oft bei uns zu Gast war. Unser Publikum konnte so Chick Coreas musikalischen Reichtum in seiner schier unglaublichen Bandbreite und Dichte erleben. In den Jahren 2006-2015 trat er sogar alljährlich in immer neuen Besetzungen mit musikalischen Freunden und langjährigen Wegbegleitern auf.
Seine Genialität hat mich – ähnlich wie die unseres gemeinsamen Freundes Friedrich Gulda – immer wieder an Mozart erinnert. Deshalb habe ich bewusst das Mozart-Jahr 2006 genutzt, um Chick Corea mit dem Preis des Klavier-Festivals Ruhr auszeichnen zu können, als er bei einem Konzert „In the Spirit of Mozart“ im Konzerthaus Dortmund mit der Bayerischen Kammerphilharmonie Mozarts c-Moll-Konzert spielte. Sein weltumspannendes Musikverständnis belegen die Titel der einzelnen Sätze seines zweiten Klavierkonzerts, das in diesem Rahmen seine Deutsche Erstaufführung feierte: Africa (Ouverture – Musical Roots), Europe (Cultural Mix), Australia (Calm Ballad), America (Melting Pot), Asia (Oriental Chant) und schließlich Antarctica (Turbulent Earth) – eine humanistisch-musikalische Hommage an unseren Planeten.
Unsere Preisträger haben das Anrecht, einen Stipendiaten des Klavier-Festivals Ruhr zu benennen. Auch hier traf er eine hellsichtige Entscheidung, als er Gwilym Simcock dafür benannte, lange bevor dessen Name in der Jazzwelt seinen heutigen Klang hatte.
Für Chicks universelles Denken stehen auch die unterschiedlichsten Besetzungen seiner Konzerte beim Klavier-Festival Ruhr: 1993 brachte er seine Akoustic Band nach Bochum, unter anderem mit John Patitucci am Bass, der schicksalhafterweise auch bei seinem letzten Auftritt – wieder mit der Akoustic Band – beim Klavier-Festival Ruhr 2018 in der Philharmonie Essen am Bass stand. 1997 und 2007 war Chick mit Gary Burton bei uns, zweimal mit Return to forever (2008 in der Essener Grugahalle – u.a. mit Al Di Meola – und 2011 in der Mercatorhalle in Duisburg), zweimal im Duo mit Bobby McFerrin (2005 in der Grugahalle und 2012 in der Philharmonie Essen); zweimal kam er solo (2009 und 2014, beide Male im Konzerthaus Dortmund) und – in seiner Spielfreude absolut unvergessen – 2015 in der Philharmonie Essen im Duo mit Herbie Hancock.
Genau genommen war er auch mit Herbie Hancock zweimal auf unseren Bühnen. Und das kam so: Im Juli 2009 hatten wir an zwei aufeinanderfolgenden Tagen zuerst Chick Corea Solo in Dortmund und Herbie Hancock zusammen mit Lang Lang in Essen auf unserem Spielplan. Als Herbie Hancock diese Konstellation entdeckte, bat er mich, “möglichst inkognito“ (!) Chicks Konzert besuchen zu können. Also hielt ich seinen Besuch geheim und informierte Chick erst kurz vor seinem Auftritt von Herbie Hancocks Anwesenheit im Publikum. Chick strahlte vor Glück, widmete sein Konzert augenblicklich seinem lieben Freund, und am Schluss saßen beide – ich hatte es erhofft – für eine gemeinsame Improvisation am Klavier.
Unverhofft hatte sich einen Tag zuvor ein anderes Stelldichein ergeben, das – wie vieles andere – für Chicks wunderbare Spontaneität steht: Martha Argerich spielte zusammen mit Lilya Zilberstein einen Duo-Abend in der Philharmonie Essen. Herbie Hancock war wegen seiner Proben mit Lang Lang ohnehin schon in der Stadt und Chick reiste extra einen Tag früher an, um Marthas Konzert erleben zu können. Und so saßen Herbie Hancock und Chick Corea neben mir im Publikum und ließen am Ende des umjubelten Konzerts beide Künstlerinnen lautstark hochleben. Der Abend klang mit vielen gemeinsamen Erinnerungen dann in Marthas Garderobe aus. Und was taten alle drei? Sie spielten Scarlatti, bewunderten Marthas Anschlagskunst und schmolzen dahin…
Welch ein Glück, wenn solche Festival-Konstellationen für Publikum und Musiker so besondere musikalische wie menschliche Begegnungen ergeben!
Nun, am 4. Juli 2021, hatten wir uns vorgenommen, in der Philharmonie Essen Chick Coreas 80. Geburtstag zu feiern. Diesen Abend wollte er zusammen mit seinem neuen The Vigilette Trio gestalten, einem Echo seiner legendären The Vigil-Besetzung, mit der er 2013 in der Philharmonie Essen aufgetreten war und der er nun – was er so gut konnte – „neues Leben einhauchen“ wollte. Wie jung Chick Corea Zeit seines Lebens geblieben ist, dafür steht auch die vorgesehene Trio-Besetzung, bei der mit dem 35-jährigen Marcus Gilmore der Enkel von Chicks langjährigen Drummer Roy Haynes am Schlagzeug sitzen sollte. Roy Haynes war einer von Chicks legendären Sidemen, denen er Jahrzehnte lang die Treue hält und mit dem er 2010 zusammen mit dem Bassisten Christian McBride in seiner Freedom Band in die Grugahalle gekommen war.
Die deutsche Übersetzung für Vigil heißt Nachtwache. Jeder, der Chick Corea erleben durfte, ihn bewunderte und von seiner Musik berührt wurde, wird sie auf seine Weise halten – in Erinnerung an einen der größten Musiker unserer Zeit.
Danke, lieber Chick Corea, für das Geschenk Deiner Musik – und für Deine Freundschaft! Ruhe in Frieden.
Franz Xaver Ohnesorg
Intendant des Klavier-Festivals Ruhr
Zum Gedenken an Chick Corea stellt der Deutschlandfunk die Aufzeichnung unseres Konzertes mit der Chick Corea Akoustic Band am 8. Juli 2018 in der Philharmonie Essen in seiner Mediathek zur Verfügung. Noch bis zum 17. März 2021 können Sie Chick Coreas letztes Konzert beim Klavier-Festival Ruhr hier nacherleben!
1993
1997
Duo mit Gary Burton (Vibraphon)
Gelsenkirchen | Bundesgartenschau – Kanalbühne (Open Air)
2001
Chick Corea and The New Trio
Bochum | Audimax
2005
“We play!”
mit Bobby McFerrin (Voice)
Essen | Grugahalle
2006
»In The Spirit of Mozart«
Dortmund | Konzerthaus
2007
mit Gary Burton (Vibraphon)
Düsseldorf | Tonhalle
Hamm | Alfred-Fischer-Halle
2008
»Return to Forever«
Essen | Grugahalle
2009
Solo
Dortmund | Konzerthaus
2010
»Freedom Band«
Essen | Grugahalle
2011
»Return to Forever IV – Hymn of the 7th Galaxy«
mit Stanley Clarke (Bass), Lenny White (Drums), Jean-Luc Ponty (Violin), Frank Gambale (Guitar)
Duisburg | Mercatorhalle im CityPalais
2012
Duo mit Bobby McFerrin (Voice)
Essen | Philharmonie
2013
„The Vigil“
mit Tim Garland (Saxophone, Bass Clarinett), Charles Altura (Guitar), Christian McBride (Bass), Marcus Gilmore (Drums), Luisito Quintero (Percussion)
Essen | Philharmonie
2014
Solo
Dortmund | Konzerthaus
2015
Duo mit Herbie Hancock
Essen | Philharmonie
2018
The Chick Corea Akoustic Band
mit John Patitucci (Bass), Dave Weckl (Drums)
Essen | Philharmonie
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