Seong-Jin Cho

Clarté ist eine Art Schlüsselwort für die Interpretation französischer Musik. Entgegen vieler Klischees soll auch die impressionistische Musik, meist in einem Atemzug mit den Komponisten Maurice Ravel und Claude Debussy genannt, klar und transparent klingen und nicht etwa nach verschwommenen Aquarellfarben. Seong-Jin Cho macht diese Clarté auf faszinierende Weise hörbar. Vier Jahre hat der südkoreanische Pianist in Paris studiert, sich bei Michel Béroff am Conservatoire National Supérior de Musique den Feinschliff geholt. Sein Lehrer habe ihn nie zu etwas gedrängt, stets nur Anregungen gegeben, erzählt Cho in einem Interview. Wie zur Bestätigung gewann er pünktlich zum Examensabschluss 2015 den Ersten Preis beim Internationalen Chopin-Wettbewerb, der wichtigsten Klavier-Competition der Welt.

Auf dieser Bühne in Warschau zu stehen, habe ihn glücklich und nervös zugleich gemacht, sagt er. Ein Kindheitstraum ging damit in Erfüllung, noch bevor der Pianist im Blitzlichtfeuerwerk der Fotografen gefeiert wurde. Den Sieg konnte er kaum fassen. Seitdem kann sich Seong-Jin Cho Orchester und Säle aussuchen. Von seinem Berliner Zuhause aus steuert er die Konzerthäuser in London, San Francisco oder Wien an. Sein Heimatland feiert ihn schon längst als Star, etwa wenn er wie in dieser Saison mit den Berliner Philharmonikern und dem Gewandhausorchester Leipzig nach Südkorea reist.

Seong-Jin Cho wurde 1994 in Seoul geboren. Er stammt nicht aus einer Musikerfamilie, und der Weg an die Weltspitze der Pianisten war ihm durchaus nicht von Kindheit an vorgezeichnet. Zunächst waren es Schallplattenaufnahmen von Krystian Zimerman, die ihn so sehr faszinierten, dass er den Wunsch entwickelte, das Klavierspiel professionell zu betreiben. In einem Interview erzählte er 2020 von seiner Verehrung für Zimerman und den inzwischen leider verstobenen Radu Lupu: “Während Krystian Zimerman derjenige ist, der mir ursprünglich den Traum vermittelt hat, Pianist zu werden, zeigte mir Radu Lupu den höchsten Grad des Musizierens. Ich glaube nicht, dass jemand besser spielen kann als Lupu. Es geht nicht um die Technik – er besitzt diese überragende Musikalität. Eine Zeitlang war Lupu so ein Idol für mich, dass ich sein Foto als Hintergrundbild auf meinem Telefon hatte.”

Chos feines Gehör, der genaue Blick zeichnen ihn aus. Nach seinem größten Wettbewerbserfolg hat er schlicht auf die Partitur verwiesen – er habe nur aufmerksam Chopins Noten studiert. Überhaupt tritt der Ausnahmepianist bescheiden auf. Er spricht ruhig und überlegt, ein bisschen schüchtern, mit einer Prise Selbstironie. Wenn er dann am Klavier sitzt, hat das Hirn Pause. Beim Spielen vergesse er alles, sagt Cho. Hört zu. Versucht die Musik objektiv wahrzunehmen. Versunken und wach zugleich sieht er dabei aus. Mal wirkt er wie in Trance, mal so, als habe er wieder ein neues, kleines Geheimnis gelüftet.

Seong-Jin Cho versieht nicht nur Ravels Musik mit Clarté in jeder Klangfarbe und Lautheit, von seinem reinen, leichtfüßigen Stil profitiert Händel genauso wie Mozart. Und auch dem romantischen Repertoire etwa von Brahms oder Liszt kommt die Entschlackungskur wunderbar zugute. Denn eines fehlt seinem Spiel nie: ein Hauch von goldener Wärme, der die Reinheit erst wahrhaftig schimmern lässt.

Maria Gnann

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Montag, 01. Juli 2024 | 20:00 Uhr
Wuppertal  Historische Stadthalle

€ 65 | 55| 45 | 35 | 25

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