Kaum kommt er mit den Füßen an die Pedale, der Konzertflügel wirkt zu groß für den pausbäckigen Knaben, der sein blaues Hemd lässig aus der Hose heraushängen lässt. Die Aufgabe dagegen ist es nicht. Und wenn man genau hinschaut, sieht man schon den gleichen wachen, konzentrierten Ernst im Blick des Wunderkindes, der einem auch noch heute entgegenspringt, spricht man mit Benjamin Grosvenor. „Das Schwierige an dem Beruf ist die Einsamkeit“, vertraute er noch als Teenager den Kameras von CNN an. Nicht so sehr die technischen Hürden. „Das macht alles das Muskelgedächtnis“, bricht er als Jugendlicher das Geheimnis des Musikmachens auf die Essenz von Gewebekontraktionen herunter. Auftritte von Benjamin Grosvenor sind stets zugleich ein Hochamt des Understatements und ein Fest für die Ohren. Seine bezwingende Technik, sein untrügliches Gespür für Form und Dramaturgie, nicht zuletzt seine stilistische Vielseitigkeit erzeugen im Moment der Aufführung eine Art „Rausch der Klarheit“: Ja, so muss es sein, so ist es gedacht, so ist es richtig, so ist es schön. Grosvenor hat es nicht nötig, exzentrische „Ausdrucksmittel“ einzusetzen. Ausdruck ist, was entsteht, wenn man die Musik erklingen lässt, wie sie gedacht ist. Seine unwiderstehliche Art, auf dem Klavier zu singen, schier unendliche lyrische Bögen zu formen, lässt seine Stimme hervorstechen aus dem Chor der Piano-Virtuosen unserer Zeit. Man vergisst leicht, dass er mit allen Konzerten und Aufnahmen, die er bereits gestaltet hat erst 31 Jahre alt ist. Seit 20 Jahren bereits transzendiert er die Einsamkeit des Übezimmers auf den Konzertpodien, transzendiert unsere Wahrnehmung von der Welt.

Patrick Hahn