Piotr Anderszewski

Piotr Anderszewski

Erinnern wir uns. Erinnern wir uns an jenen sonnigen Herbstnachmittag vor vielen Jahren in der Kölner Philharmonie, als inmitten einer nicht unbeträchtlichen Anzahl bronchialkatarrhalischer Banausen (die seit Alfred Brendels gleichnamigem Gedicht auch als »Huster von Köln« zweifelhafte Berühmtheit erlangt haben) ein Sonnenstrahl vom Himmel fiel – in Gestalt jenes schlank-schlaksigen Pianisten, der, betörend behutsam von der Sinfonia Varsovia begleitet, die Melancholie in Mozarts Klavierwerken wiederentdeckte und sich damit als berechtigter Nachfahre der großen Clara Haskil erwies. Zwei Klavierkonzerte des Salzburg-Wiener Genius’ spielte Piotr Anderszewski an diesem Tag, scheinbar gänzlich unbeeindruckt von dem Hustenlärm auf den Rängen, und er spielte sie mit einer solch leisen Innigkeit, dass man dieses Konzerterlebnis in die Kategorie unvergessen einordnen durfte. Und en passant wieder einmal darin bestärkt wurde, dass es nicht darauf ankommt, wie laut man etwas sagt, sondern darauf, wie intensiv man es sagt.

Zwei Dinge sind seit diesem Tag als Konstanten in Anderszewskis Künstlerleben zu erkennen. Einmal die Tatsache, dass er nicht nur Mozart, sondern auch (und vor allem) die Werke seiner weiteren Säulenheiligen Bach, Beethoven, Schumann und Szymanowski mit der gleichen unaufdringlich-poetischen Eindringlichkeit und Sensitivität zu spielen vermag. Und zweitens die enge Verbundenheit zu seiner Heimat Polen. Diese drückt sich, wenig Wunder, auch in der Wahl des Repertoires aus. Denn neben den genannten Hausgöttern ist es ein Komponist, der ihm (naturgemäß) besonders am Herzen liegt: Fréderic Chopin. Seit den Tagen eines Jozéf Hofmann (den Anderszewski übrigens als einzig gültiges Vorbild benennt), musste man warten, bis neben Krystian Zimerman wieder jemand auf die Bühne trat, der die Musik Chopins mit einem derart grandiosen Atem ausstattet und sie als eine glühende Liaison zwischen Rhythmus, Melodie und Harmonie ausdeutet.

Verwundern darf dies allerdings nur sehr bedingt, denn die Nähe zwischen beiden ist in vielerlei Hinsicht offenkundig. Beide sind (oder waren) fantastische Pianisten, die den französischen Esprit lieb(t)en, beide sind (oder waren) Polen, die selbst in der Ferne wehmütig an ihre Heimat dachten. 2016/17 hat Anderszewksi aus der Zuneigung zu seiner polnischen Heimat einen Film gemacht und sich selbst hinter die Kamera gestellt: »Warsaw is my name« ist eine unverhohlene Liebeserklärung an seine Geburtsstadt, ein cineastischer Rückblick, der die Schattenseiten des Lebens jedoch nicht ausspart und in einigen Passagen Bilder von großer Sehnsucht »evoziert«. Hat man diesen Film gesehen, dann versteht man noch weit mehr, welcher ästhetischen Anschauung Anderszewskis Spiel folgt: Es ist die ungefähre Welt, die ihn interessiert, der Raum zwischen den Dingen, das Ungesagte, vielleicht auch Unsagbare, Ungehörte, vielleicht auch Unerhörte, jener locus amoenus, wo die Träume leben und wo das Singen noch immer geholfen hat. Nur leise muss es sein, damit wir es hören.

Jürgen Otten       

09
So
Sonntag, 09. Juni 2024 | 11:00 Uhr
Düsseldorf  Robert-Schumann-Saal im Kunstpalast

€ 55 | 50 | 45 | 35 | 25

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